Mein Radiomoment: Konzert im Autokino

Beim Stichwort Radio denke ich zuerst an Autofahrten mit meinen Eltern zurück. Egal, ob auf der Fahrt zum Schwimmtraining, beim Einkaufen oder auf dem Weg in den Urlaub: Bei uns im Auto lief das Radio. Bis

heute gibt es viele Songs, welche ich mit genau solchen Fahrten assoziiere, ebenso wie die Fußballkonferenzen, welche ich als Kind geliebt habe. Außerhalb des Autos hat das Radio aber nie eine große Rolle in meinem Leben gespielt. Dank Spotify und Co und der Möglichkeit, fast immer und überall darauf zugreifen zu können, hat sich das Radio beinahe gänzlich aus meinem Alltag verabschiedet. Bis ich vor einigen Wochen ein Autokino-Konzert besucht habe. Im Rahmen der Kontaktbegrenzungen haben einige Künstler aus der Not eine Tugend gemacht und sind auf den Zug, oder besser gesagt, auf den Korso, der wiedererstarkten Autokinos aufgesprungen. So auch der schwer in eine Schublade zu steckende Alligatoah, der sich selbst als „Schauspielrapper“ bezeichnet.

So saß ich also mit meiner Freundin auf einem asphaltierten Gelände am Rande von Hannover im Auto und suchte das erste Mal seit Ewigkeiten nach einer Radiofrequenz. Denn, um dafür zu sorgen, dass jeder Besucher trotz geschlossener Fenster einen guten Sound hat, und um die Anwohner nicht zu stören (obwohl ein bisschen Musik wohl erträglicher gewesen wäre als die mehr oder weniger im Takt betätigten Hupen), wurde der Konzertton via Radio übertragen. Und so kam es, dass ich zum ersten Mal seit mehreren Jahren im Auto saß und dem Radio lauschte.

Um kurz vor 8 erscheint auf den großen Leinwänden, welche sich links und rechts der Bühne befinden, der Hinweis, das Autoradio auf die Frequenz 93,5 zu stellen. Es folgen ein paar allgemeine Hinweise zum Verlauf des Konzertabends. Das Auto darf nur allein und mit Maske verlassen werden, die Fenster müssen zu 80 Prozent geschlossen bleiben, die Besucher sollen aufs Hupen verzichten. Letztere Regel wird bereits beim Auftritt des Voracts Dazzle in hohem Bogen über Bord geworfen. Die Fahrerinnen und Fahrer hauen auf ihr Lenkrad, was das Zeug hält, während Dazzle mit seinen Songs für Stimmung sorgt und das Publikum immer wieder zum rhythmischen Hupen animiert. Nach knapp 30 Minuten ist die Zeit für den Voract rum und gerade einmal eine Viertelstunde später fährt Alligatoah vor. Und das im wahrsten Sinne des Wortes: Im senfgelben Oldtimer (passend zum eigenen Outfit) wird der selbsternannte Märchenerzähler durch die Reihen der Konzertbesucher bis vor die Bühne kutschiert. Nach dem ersten Song, der alleine auf der Gitarre vorgetragen wird, betritt die vierköpfige Band – ebenfalls in senfgelb – die Bühne und legt los.

Was nun folgt, ist wie jede Alligatoah-Show laut, unterhaltsam, lustig und auch immer ein bisschen skurril. Der Sänger und seine Mitmusiker manövrieren gekonnt durch alte und neue Songs. Alligatoah selbst sucht immer wieder die Interaktion mit dem Publikum. Mal singt er eine Melodie vor, welche nachgehupt werden soll, applaudiert wird ebenfalls mit hupen oder blinken. Irgendwann ruft er „Und jetzt die Scheibenwischer!“ und überall auf dem Gelände beginnt es zu quietschen. Nach über 2 Stunden, einem langen Zugabenblock, viel Gehupe und Geblinke und einem gemeinsamen Song mit Vorkünstler Dazzle ist das Konzert schließlich vorbei. Als wir beim Verlassen des Platzes mehrere ADAC-Wagen sehen, sind wir sehr froh, dass unsere Autobatterie die letzten Stunden ohne Probleme überstanden hat. Das Fazit: Selten haben wir ein Konzert mit so gutem Sound und einer so entspannten Toilettensituation erlebt. Als einmaliges Erlebnis allemal den Besuch wert. Trotzdem freuen wir uns schon jetzt drauf, wenn man wieder „echte“ Konzerte besuchen darf. Auf jeden Fall war dieses Konzert ein ganz besonderer „Radiomoment“ für mich.


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